Nachdem mich „Unterleuten“ der Autorin Juli Zeh noch nicht ganz überzeugen konnte, muss ich sagen, dass ich nach „Über Menschen“ das Gefühl habe, wir beide könnten Freunde werden. Das Thema ist dem im erstgenannten Buch nicht unähnlich. Wieder geht es um ein Dorf im Niemandsland in Brandenburg. Wieder handelt es sich um eine Art Aussteigerin, die vom Leben in der Großstadt die Nase voll hat und doch ist es ganz anders. In ihrer selbstgewählten Einöde angekommen stellt Dora fest, dass sie eigentlich gar nicht genau wusste, was sie erwarten würde. Nach und nach lernt sie ihre Nachbarn kennen, um schließlich an sich selbst zu zweifeln, ob sie die richtige Entscheidung getroffen hat. Oder verzweifelt sie an ihren Nachbarn? Allmählich entwickelt sich ein inniges Verhältnis zwischen dem kleinen Nachbarsmädchen Franzi und Doras Promenaden-mischung Jochen-der-Roche, wobei es sich hier wohlgemerkt um ein kleines Hundemädchen handelt. Das Eis scheint gebrochen und so kommt sie schließlich auch Franzis Vater Gote, der sich selbst ganz offen als Dorfnazi bezeichnet, näher. Näher als sie sich das vielleicht einst gewünscht hätte …
Natürlich werden in diesem Roman alle Klischees bedient. Hier gibt es das schwule Pärchen, das „in Blumen macht“, die alleinerziehende Mutter, die überarbeitet aber unterbezahlt ist und wie gesagt Gote, der früher gerne auch mal „Linke klatschen“ ging und seine Ausbrüche nicht immer richtig im Griff hat. Aber irgendwie haben sie alle das Herz am rechten Fleck und halten zusammen, wenn Zusammenhalt wichtig ist. Sukzessive merkt Dora, dass es in der Großstadt wie auf dem Land menschelt und das Leben eigentlich gar nicht so verkehrt ist. Mir persönlich jedenfalls sind die Charaktere jeder auf seine eigene Art beim Hören ans Herz gewachsen. Manchmal hätte ich schreien können, doch oft genug schlich sich auch ein fettes Grinsen in mein Gesicht. Punkt um, von mir gibt es volle fünf Punkte für diese kleine Gesellschaftsstudie, gut gemacht Frau Zeh!
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