Zum zweiten Mal schon hat die Australierin Hannah Kent einen ungewöhnlichen Kriminalfall in der Geschichte Nordeuropas zum Thema ihres Romans gemacht. Während ihr vorheriges Buch in Island seinen Ursprung fand, begeben wir uns diesmal auf eine Reise in die Vergangenheit nach Irland des frühen 19. Jahrhunderts. In den Köpfen der Menschen ist der Aberglaube an Feen und ähnliche sagenumwobene Wesen noch fest verankert. So glaubt denn auch die Bäuerin Nora, die kürzlich ihren Mann und ihre Tochter verloren hat, dass der ihr überlassene Enkel unmöglich aus ihrem Fleisch und Blut entstanden sein kann. Der schwerkranke Junge hat keine Chance. Das Wort „Wechselbalg“ steht bald im Raum und so glaubt sie ihn mit Hilfe der Kräuterfrau Nance bei den Feen gegen ihren wahren Enkelsohn eintauschen zu können. Die junge Angestellte Mary, auf deren Unterstützung sie hofft, versucht mit aller Macht dagegen zu kämpfen, doch bald muss auch sie aufgeben und die Rückführung zu den Feen endet in einem tödlichen Drama …
Auf hervorragende Weise versteht es die Autorin auch diesmal wieder die düstere Atmosphäre auf der kargen und oft von Armut gezeichneten Insel einzufangen. Erschüttert habe ich die Beschreibungen mancher Dorfbewohner und im Besonderen der Kräuterfrau Nance gelesen. Es scheint fast natürlich, dass sie sich dem Aberglauben hingeben um etwas zu haben, an das sie sich klammern können. Freilich sieht die Justiz den Fall mit nüchtern Augen und bald schon scheinen Nora, Nance und Mary dem Tode geweiht zu sein. Man tut sich selbst als Leser schwer, hier Gerechtigkeit walten zu lassen und fiebert während der Verhandlungen auf die Entscheidung der Juroren. Ich war während des Lesens gefesselt, ziehe aber ein Sternchen für einige Längen ab. Dennoch vier wohl verdiente Sterne mit einer Empfehlung an die diejenigen Leser, die gerne mal abtauchen in die Vergangenheit. Urteilt selbst, ob früher alles besser war!
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